Adaptive Mensch-Maschine-Interaktion

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Durch technische Innovationen und zunehmende Automatisierung entstehen komplexe Mensch-Maschine-Systeme, in denen der Mensch und das technische System reibungslos interagieren müssen. Meist wird auf die Fähigkeit der Operateure vertraut, alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um Leistung und Stabilität des Gesamtsystems zu erhalten.

Kritische kognitive Zustände von Operateuren – z. B. Übermüdung, Überforderung, Ablenkung oder kontraproduktive emotionale Zustände wie Frustration – können die Wirksamkeit und Sicherheit hochkomplexer Mensch-Maschine-Systeme jedoch beeinträchtigen.

Bei adaptiver Mensch-Maschine-Interaktion werden solch kritische Nutzerzustände diagnostiziert und das Verhalten der Technik dynamisch daran angepasst. Die Forschung verfolgt dabei das Ziel, den Operateur situationsangemessen und bedarfsgerecht zu unterstützen, um kritischen Nutzerzuständen entgegenzuwirken und die Leistungsfähigkeit des Operateurs aufrechtzuerhalten.

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Abbildung: Funktionsweise des adaptiven technischen Systems

Die Funktionsweise des adaptiven technischen Systems ist in der Abbildung in vereinfachter Form veranschaulicht. Die Komponente »Informationsverarbeitung« stellt die Basisfunktion traditionell technischer Systeme in der Mensch-Maschine-Interaktion dar. Zusätzlich verfügt das adaptive technische System über die Komponente der »Zustandsregulierung«, welche ein adaptives Verhalten des technischen Systems ermöglichen soll.

Die Komponente der Zustandsregulierung gliedert sich in vier Stufen. Die Stufen Zustandsaufnahme und -bewertung sind Teil der Echtzeitdiagnose RASMUS (Real-time Assessment of Multidimensional User State). Die Stufen Handlungsauswahl und -impuls beziehen sich auf die Auswahl und den Einsatz einer geeigneten Adaptierungsstrategie und sind Teil des Dynamischen Adaptivitätsmanagements ADAM (Advanced Dynamic Adaptation Management).

 

Echtzeitdiagnose des Nutzerzustands (RASMUS)

Während der Aufgabenbearbeitung bewertet RASMUS die Leistung des Operateurs um zu bestimmen, wann Unterstützung notwendig ist. Detektiert RASMUS einen Leistungseinbruch, diagnostiziert die Nutzerzustandsanalyse mögliche Ursachen. Der Nutzerzustand wird multidimensional auf Basis von sechs Zustandsdimensionen betrachtet, die sich auf die menschliche Leistungsfähigkeit nachweislich positiv oder negativ auswirken können. Zur Diagnose der Nutzerzustände werden physiologische Maße mit Einflussfaktoren auf den Nutzerzustand kombiniert. Hierbei können u.a. Eye Tracking, ein Multisensor-Brustgurt oder ein EEG zum Einsatz kommen.

 

Dynamisches Adaptierungsmanagement (ADAM)

Das Adaptierungsmanagement nutzt die Informationen der Diagnose für die dynamische Auswahl geeigneter Adaptierungsstrategien. Nach der Zustandsaufnahme und Zustandsbewertung durch RASMUS legt das Adaptierungsmanagement zunächst fest, welches Problem adressiert werden soll. Anschließend erfolgt kontextabhängig die Auswahl einer geeigneten Adaptierung. Die Adaptierung wird situationsangemessen angepasst, ausgelöst und ihre Wirkung auf den Problemzustand schließlich im Rahmen eine Erfolgskontrolle überprüft.

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Physiologische Sensoren liefern Indikatoren für kritische Nutzerzustände. Dank adaptiver Mensch-Maschine-Interaktion (MMI) kann die Technik darauf reagieren.

Voraussetzung für die Realisierung adaptiver Mensch-Maschine-Interaktion ist es, den mentalen Zustand des Operateurs  (Nutzerzustand) in Echtzeit zu erfassen. Zur Diagnose kritischer Nutzerzustände setzen die Wissenschaftler des Fraunhofer FKIE eine Kombination aus Leistungs-, Verhaltens- und physiologischen Maßen (z. B. Herzrate, Atemfrequenz, Blickbewegungen, EEG) sowie bekannten individuellen Einflussfaktoren (Erfahrung, Alter, Fähigkeiten und Fertigkeiten) ein. Die Anpassung der Technik an diagnostizierte Problemzustände erfolgt dann über Adaptierungsstrategien, die auf Basis der Diagnoseergebnisse dynamisch und situationsadäquat ausgewählt und konfiguriert werden, um den Operateur zu unterstützen.

Zur Validierung der Konzepte der Echtzeitdiagnose und der dynamischen Adaptierung werden anwendungsnahe experimentelle Untersuchungen durchgeführt. Das Experimentalsystem besteht aus einer Simulationsumgebung für die Aufgabendarstellung, Sensoren zur Erfassung physiologischer Zustände des Nutzers (u.a. Brustgurt, Eyetracker, EEG) und einer Softwareplattform zur Zusammenführung, Synchronisation und Echtzeitauswertung der Daten. Ein Leistungs- und Zustandsmonitor erlaubt die Beobachtung von Leistungseinbrüchen, Nutzerzustandsänderungen und der Ausprägung relevanter Einflussfaktoren während der Aufgabenbearbeitung.

 

Forschungsaktivitäten
 

  • Untersuchung von Verfahren zur Diagnose von Nutzerzuständen, die sich auf die menschliche Leistungsfähigkeit auswirken
  • Bewertung kritischer Nutzerzustände und deren Ursachen in Echtzeit durch Kombination verschiedener Maße:
    • individuelle Einflussfaktoren, z.B. Erfahrung, Fähigkeiten
    • äußere Einflussfaktoren, z.B. Anzahl und Art der Aufgaben
    • physiologische Maße, z.B. Pupillenweite, Fixationsdauer, Herzrate, Atemfrequenz
    • verhaltensbasierte Maße, z.B. Körperposition, Frequenz an Mausklicks
  • Entwicklung von Adaptierungsstrategien, um kritischen Nutzerzuständen situationsangemessen entgegenzuwirken
  • Entwicklung eines dynamischen Adaptierungsmanagements, das geeignete Adaptierungsstrategien auf Basis der Echtzeitdiagnose konfiguriert

Ziel der adaptiven Mensch-Maschine-Interaktion (MMI) ist es, die relevante Umwelt der Maschine, in der sich auch der menschliche Operateur befindet, in den »Handlungen« der Maschine zu berücksichtigen. Der seitens des Fraunhofer FKIE verfolgte Ansatz ist dabei in zweierlei Hinsicht innovativ:

  1. Er berücksichtigt – im Gegensatz zu vorherigen Arbeiten – die mehrdimensionale Natur des Nutzerzustands und kann zwischen verschiedenen Dimensionen differenzieren.
  2. Über die Analyse von Einflussfaktoren kann auch auf die Ursachen festgestellter Zustandsveränderungen geschlossen werden.

Das technische System erhält somit genaue Informationen über die aktuelle Leistungsfähigkeit des Nutzers und kann kritischen Zuständen nicht nur symptomatisch, sondern auch ursachenbezogen entgegenwirken.

Die Anpassung erfolgt über geeignete Adaptierungsstrategien, die beispielsweise den Automationsgrad oder die Informationsdarstellung verändern. Im Vergleich zu vorherigen Arbeiten werden die einzusetzenden Adaptierungsstrategien in Abhängigkeit von den Diagnoseergebnissen nun während der Aufgabenbearbeitung dynamisch ausgewählt und konfiguriert. Durch dieses dynamische Adaptierungsmanagement wird der Operateur bedarfsgerecht und situationsadäquat unterstützt.

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Nutzerzustandsdiagnose: Ein Proband trägt ein EEG-Headset bei der Simulation einer Luftraumüberwachungsaufgabe.

Anwendungsfelder finden sich einerseits im operativen Betrieb sicherheitskritischer Systeme, in dem Leistungseinbrüche und kritische Nutzerzustände zu sicherheitsrelevanten Situationen führen können. Auf Basis der Diagnose von kritischen Nutzerzuständen können technikseitig Maßnahmen ausgelöst werden, um das Mensch-Maschine-Gesamtsystem zu stabilisieren, z. B. durch gezielte Umlenkung der Aufmerksamkeit, Veränderungen in der Informationspräsentation oder Auswahl eines optimalen Automationsgrads.

Des Weiteren sind auch Einsatzzwecke in Training und Ausbildung vorstellbar. So ermöglicht eine Diagnose niedriger Beanspruchung beispielsweise die dynamische Anpassung von Schwierigkeitsgrad oder Ausbildungsinhalten. Durch eine auf diese Weise erreichte Individualisierung des Trainings können Fähigkeitslücken gezielter adressiert und knappe Ressourcen (Ausbilder, Simulatoren) effizienter genutzt werden. Der Einsatz physiologischer Sensoren ermöglicht weiterhin eine Objektivierung bei der Messung des Ausbildungserfolgs. Sollen Stressresistenz oder Bewältigungsstrategien vermittelt werden, kann objektiv erfasst werden, ob das gewünschte Stressniveau erreicht wurde.

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