Teil- und hochautomatisiertes Fahren im militärischen Konvoi

Straßentransport mit Assistenzfunktionen von Robotern (StrAsRob)

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Zielsystem des »StrAsRob«-Assistenz- und Automationssystems.

Teil- und hochautomatisierte Fahrzeuge integrieren Assistenz- und Automationssysteme dahingehend, dass sie mit variablen Assistenz- und Automationsgraden gefahren werden können. Hierbei steht dem Fahrer die Möglichkeit zur Verfügung, in geeigneten Situationen temporär die Fahraufgabe vollständig an die Automation abzugeben. Eine entscheidende Qualität dieser Systeme ist, dass Fahrer und Automation dabei kooperativ zusammenarbeiten und der Fahrer jederzeit die Kontrolle (zurück-)übernehmen kann.

Im Rahmen des anwendungsorientierten Projekts »Straßentransport mit Assistenzfunktionen von Robotern« (StrAsRob) zum automatisierten Folgefahren von militärischen LKWs sollte dieses Konzept verdeutlicht und in einer Gebrauchstauglichkeitsstudie mit professionellen LKW-Fahrern im Simulator präsentiert werden.

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Stark vereinfachte Darstellung der Kooperation zwischen Mensch-Maschine-Systemen. Gezeigt wird, wie Mensch und Automation die Situation wahrnehmen, Absichten bilden und in Handlung umsetzen, die bei geeigneter Interaktion kooperativ sein kann.
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Zeitlicher und situativer Use Case »Hindernissen ausweichen im Folgemodus«: Der militärische Kraftfahrer des Führungsfahrzeugs (MKF FÜ) führt entweder ein Brems- oder, sofern möglich und präferiert, ein Ausweichmanöver durch. Die Automation des Folgefahrzeugs (Autom. FO) überprüft ebenfalls, ob ein Ausweichmanöver möglich ist, und führt andernfalls einen Nothalt durch. In letzterem Fall kann die Fahrt erst nach einem Eingriff des militärischen Kraftfahrers des Folgefahrzeugs (MKF FO) fortgesetzt werden.

Das Konzept der kooperativen Fahrzeugführung basiert auf einem generischen Ansatz zur Beschreibung der Freiheitsgrade des Zusammenwirkens von Mensch und Automation. Zwei bereits existierende Implementierungen von kooperativer Fahrzeugführung sind Conduct-by-Wire, das durch diskrete Beauftragung von Manövern operiert, und H-Mode. Letzterer ermöglicht eine kontinuierliche Interaktion direkt über die üblichen Stellteile wie Lenkrad und Gaspedal oder auch über alternative Stellteile wie aktive Sidesticks und beinhaltet diskrete Anteile auf der Manöver- und Kontrollebene. Zahlreiche komplexe technische Funktionen werden so integriert, dass sie dem Menschen als zusammenhängendes, intuitiv bedienbares Co-System für eine teil- und hochautomatisierte Fahrzeugführung angeboten werden können.

Grundlage ist eine vierstufige Assistenz- und Automationsskala:

AAM1 (»Driver only« bis »Assistiert«)
Das Fahrzeug wird vom Fahrer überwiegend selbstständig geführt. Die Automation gibt jedoch Handlungshinweise, z.B. in Form haptischer Signale über das Stellteil.

AAM2 (»Assistiert«)
Aktive Übernahme der Längsführung durch das von der Automation gesteuerte Adaptive Cruise Control (ACC) sowie eine passive, den Fahrer informierende Assistenz.

AAM3 (»Teilautomatisiert« bis »Hochautomatisiert«)
Situationsabhängig angebotene Fahrmanöver können durch haptische Gesten am Stellteil ausgelöst werden. Diese Manöver werden von der Automation selbstständig durchgeführt und können jederzeit vom Menschen mitgefühlt, modifiziert, geändert und abgebrochen werden. Der Fahrer behält dadurch nicht nur die Kontrolle, sondern bleibt auch aktiv »im Loop« eingebunden.

AAM4 (»Hochautomatisiert« bis »Vollautomatisiert«)
Unter geeigneten Bedingungen wird ein hochautomatisiertes Fahren umgesetzt, bei dem der Fahrer auch für eine begrenzte Zeit aus dem Fahrzeugführungskreis gehen kann.

Im Rahmen des Projekts »StrAsRob« wurden die Grundgedanken der kooperativen Fahrzeugführung und des H-Mode ansatzweise auf die Interaktion mit hochautomatisierten LKWs übertragen. Dazu wurden zunächst Workshops mit verschiedenen Stakeholder-Gruppen (Kraftfahrer, Zulassungsstelle, Gestalter und Entwickler) durchgeführt, um Anwendungsfälle zu definieren. Typische Beispiele dafür sind das Anlernen der Fahrzeuge, das Zusammenstellen des Konvois, das hochautomatisierte oder assistierte Folgefahren oder das temporäre Auflösen des Konvois. Auf sie wurden die vier Modi der Assistenz- und Automationsskala angewendet und ein Interaktionskonzept erstellt. Zur Überprüfung der Gebrauchstauglichkeit wurden jeweils drei feste Abfolgen konzipiert und im Simulator durchfahren.

 

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»StrAsRob«-Simulatoraufbau: Totale hinter dem Fahrer.
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Seitliche Ansicht des Simulatoraufbaus mit Pedalerie, Lenkrad und grafischem Display als Benutzerschnittstelle.

Das Szenario des Base Kata war eine kooperativ hochautomatisierte LKW-Konvoifahrt. Probanden waren 13 Kraftfahrer der Bundeswehr, die simuliert jeweils im zweiten Fahrzeug des Konvois saßen und von einem weiteren LKW verfolgt wurden. Mittels eines Fragebogens bewerteten sie das Gesamtsystem in regelmäßigen Abständen zu den einzelnen Use Cases.

Die einzelnen Testkata wurden von den Probanden dabei in jeweils drei Fahrten überprüft:

1. naive Fahrt
2. erklärte Fahrt
3. trainierte Fahrt

Ergebnis: Trotz des noch frühen Entwicklungsstadiums fällt die erste Evaluation sehr positiv aus. Erkennbar ist, dass die Fahrt mit dem ausführlichen Training zu einer insgesamt noch besseren Bewertung des Gesamtsystems führte. Dabei fallen beim Vergleich der Einschätzungen im Längsschnitt von »Naiv« über »Erklärt« bis hin zu »Trainiert« vor allem die Unterschiede beim Übergang von der Automationsstufe »Loose Rein« (teilweise/hochautomatisiert, Fahrer »in the loop«) zu »Secured Rein« (hoch-/zeitweise vollautomatisiert, Fahrer »out of the loop«) auf. Hier waren die Unterschiede offenbar nicht selbsterklärend genug. Ein klarer Hinweis auf weiteres Verbesserungspotenzial. Den bietet auch die integrierte Funktion der Rückübernahme durch Lenkradbetätigung, die auch durch Erklärung und Training nicht besser genutzt wurde.

Die Kooperativität von Fahrzeugen wird mit zunehmender Vernetzung und autonomen Fähigkeiten immer wichtiger – und zwar nicht nur zwischen Automation und Fahrer, sondern auch zwischen Fahrzeugen sowie zwischen Fahrzeug und Infrastruktur. Vor diesem Hintergrund ist das Projekt »StrAsRob« ein konkretes und vielversprechendes Beispiel für eine kooperative Fahrzeugführung, die in Richtung Serienentwicklung vorangetrieben werden sollte.

  • Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverabeitung und Ergonomie FKIE
  • Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw)
  • Diehl Defence GmbH & Co. KG
  • Rheinmetall AG
  • Universität der Bundeswehr München