10. ELROB zeigt technologische Herausforderungen in der Militärrobotik auf
In militärischen Einsatzszenarios haben sich vom 24. bis 27. September im belgischen Lens 15 internationale Teams beim 10. European Land Robot Trial (ELROB) gemessen. Teilnehmer und Besucher lobten einhellig die reibungslose und professionelle Durchführung der Veranstaltung. Jury und Veranstalter zeigten sich bei der Bewertung der angetretenen Robotersysteme zurückhaltender. In allen Disziplinen – vom autonomen Konvoifahren und Transport über die Gelände- und Gebäudeaufklärung bis hin zur Bergung von Verletzten und der Detektion und Räumung von explosiven Kampfmitteln – hatten sie sich insgesamt bessere Ergebnisse erhofft. Nur wenige Teams konnten im Vergleich zu den Leistungen der Vorjahre wirkliche Fortschritte präsentieren.
»Die Robotisierung der Streitkräfte ist ein großes und brandaktuelles Thema. Doch die technischen Herausforderungen sind dabei deutlich höher als etwa beim autonomen Fahren im zivilen Bereich und werden leider von der Robotikforschung nicht im nötigen Umfang adressiert. Entsprechend flach fällt häufig die Entwicklungskurve aus«, zieht ELROB-Organisator Dr. Frank E. Schneider, Leiter der Forschungsgruppe »Autonome Mobilität und Experimentalsysteme« am Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE in Wachtberg, Bilanz.
Neben der Möglichkeit, Reifegrad und Einsatztauglichkeit militärischer Robotersysteme im direkten Vergleich unter realen Einsatzbedingungen zu testen, zähle aber genau dies auch zu den Aufgaben der ELROB: zu eben dieser Feststellung zu gelangen und den Fokus auf die vielen großen Baustellen in diesem wichtigen Anwendungsfeld zu richten. Einhellig ist daher die Meinung unter den Vertretern der internationalen Forschung und Industrie sowie der als Zuschauer teilnehmenden Experten der Streitkräfte, des Verteidigungsministeriums und der beschaffenden Stellen, dass die Veranstaltung fortgeführt werden muss. Als einzige weltweit verschafft sie momentan ein objektives und reales Bild vom aktuellen Stand der Militärrobotik.
»Afghanistan und die heute vorherrschenden urbanen und semiurbanen Einsatzschauplätze der Landstreitkräfte machen deutlich, wie wichtig und hilfreich die Unterstützung durch Roboter wäre«, so Schneider. Oberstes Ziel sei es, jeden Soldaten wieder gesund nach Hause zu bringen. Doch Truppen, die in eine bereits besetzte Stadt einrücken, seien automatisch im Nachteil. Wichtige Einsatzunterstützung könnten hier Roboter bieten, die vorausfahren, die Lage sondieren und den anrückenden Streitkräften detaillierte 3D-Lagekarten für die Einsatzplanung übermitteln.
Doch gerade in dieser Disziplin zeigten die insgesamt sechs an Tag 2 antretenden Teams überwiegend enttäuschende Leistungen. Als zu langsam, mit nicht ausreichender Sensorik ausgestattet und zu wenig mobil erwiesen sich die Robotersysteme. Vier der Teams konnten oder wollten den asphaltierten Teil der Strecke nicht verlassen, obwohl das für die Erstellung einer detaillierten Umgebungskarte unerlässlich gewesen wäre. »Teilweise blieben die Teams sogar hinter einem früher bereits erreichten Stand zurück«, zeigte sich auch Chef-Schiedsrichter Prof. Dr. Henrik I. Christensen, Direktor des Contextual Robotics Institute an der University of California in San Diego, überrascht.
Sehr gute Ergebnisse im autonomen Konvoi und Transport
Deutlich erfolgreicher stellten sich da die Teamleistungen an Tag 1 und 3 dar, an denen die Disziplinen autonomer Konvoi und Transport auf der Agenda standen. Das autonome Fahren im Konvoi bewältigten sogar alle drei teilnehmenden Teams sehr gut. Jury-Leiter Christensen: »Sowohl auf befestigten wie auf unbefestigten Wegen sind die Fahrzeuge sehr sicher gefahren.« Dem Team »MuCAR« der Universität der Bundeswehr München gelang es sogar, die 2,5 Kilometer lange Strecke, die eine enge Kurve enthielt, ganz ohne manuellen Eingriff zu absolvieren. Eine Leistung, die ihm den Sieg in dieser Disziplin einbrachte.
Nicht ganz so erfolgreich, aber immerhin mit Platz 2, schnitt das Team auch an Tag 3 ab, an dem das Szenario »Maulesel« auf dem Programm stand. Hier bestand die Aufgabe darin, einem Roboter mithilfe eines vorauslaufenden Menschen eine 700 Meter lange Strecke zu zeigen und anzulernen, die er danach möglichst oft autonom hin- und herfahren sollte. Klingt eigentlich einfach: Aber durch anspruchsvolle Hindernisse und häufig wechselnde Streckenführung brachte auch dieses Szenario vier der insgesamt sieben angetretenen Teams an seine Grenzen. Als deutlicher Überraschungssieger zeigte sich das deutsch-kanadische Team »Rheinmetall«, das mit dem achträdrigen Transportfahrzeug »Mission Master« zum ersten Mal überhaupt an der ELROB teilnahm und in dieser Disziplin gleich alle erfahreneren Teams in den Schatten stellte.
Erstrebenswerter Einsatz: die Bergung von Verletzten durch Roboter
Überschrift des letzten Wettbewerbstages war »MedEvac«, die Evakuierung von Verletzten. Hier galt es, innerhalb von 40 Minuten zwei Puppen – eine im Außengelände, eine im Inneren eines Containers platziert – zu finden und in einen sicheren Bereich zu bringen. Diese Aufgabenstellung bewältigte das schwedische Team »BROKK« am besten. Sein dieselbetriebener Roboter konnte mehr Gewicht transportieren als seine durchweg kleineren Mitstreiter und schaffte es als einziger, zwei 100kg-Puppen zu bergen. Durch seine Ausmaße wird ihm jedoch im Alltag der Zugang zu etlichen Bergungsorten, insbesondere in Gebäuden, eher verwehrt bleiben.
Schneider: »Obwohl die Bergung von Verletzten eines der Szenarios ist, in denen Roboter das Militär unterstützen können, gibt es aktuell weltweit noch kein System, das dies unter realen Bedingungen leisten könnte.« Forschung und Entwicklung hätten daher noch viel zu tun und die Übungsszenarios werden bei der nächsten ELROB nicht weniger anspruchsvoll sein. Für die kommende Ausgabe im Jahr 2020 kündigt Schneider an: »Aufgaben- und regeltechnisch werden wir den Wettbewerb noch einmal nachjustieren, um die Bewertungskriterien für den Leistungsvergleich noch objektiver zu gestalten.«