17 internationale Teams zeigen beim European Land Robot Trial in Trier beeindruckende Leistungen
Im Tunnel herrscht fast vollständige Dunkelheit. Der Boden ist uneben, an manchen Stellen glitschig. Über Paletten hinweg, vorbei an Kisten und umgestürzten Fässern, bahnt sich der Roboter langsam seinen Weg zu einem Auto. Seine Aufgabe: Zwei Personen-Dummys auffinden, retten und ins Freie bringen. In rund hundert Metern Entfernung steuert Patrick Weiß konzentriert die Bewegungen des Roboters und seines überlangen Greifarms mittels Teleoperation, während seine Kollegen Oliver Schulz und Patrik Bylin das Geschehen im Tunnel gespannt auf Monitoren verfolgen. Das Trio aus Süddeutschland war eines von insgesamt 17 Teams aus der ganzen Welt, die beim 12. European Land Robot Trial (ELROB) auf dem Gelände der WTD 41 in Trier Ende Juni an den Start gingen. In fünf anspruchsvollen Disziplinen mit militärischer Ausrichtung testeten sie ihre robotischen Systeme auf Praxistauglichkeit – mit unterschiedlichem Erfolg.
Seit der Premiere der ELROB 2006 organisiert ein Team des Fraunhofer-Instituts für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE in Wachtberg alle zwei Jahre den anspruchsvollen Leistungsvergleich. Dieses Mal erfolgten dabei die organisatorischen Vorbereitungen wie auch die Entwicklung der fünf Szenarien – neben der Rettung von Verletzten zählen dazu Transport, Konvoi, Aufklärung und Entschärfung von Kampfmitteln – in engster Abstimmung mit dem Amt für Heeresentwicklung.
Tests der robotischen Systeme unter realen Bedingungen
»Durch die direkte Einbindung der Bundeswehr konnten wir die Szenarien dieses Jahr noch einsatznäher gestalten«, erklärt Dr. Frank E. Schneider, stellvertretender Leiter der FKIE-Forschungsabteilung Kognitive Mobile Systeme und ELROB-Gründer. Mit Blick auf die sich immer schneller entwickelnde KI sei es heute wichtiger denn je, die robotischen Systeme unter realen Bedingungen zu testen. »Und die Teams können auf diese Weise präzise auf die Zielforderungen des Beschaffungswesens reagieren.«
Die Präsidentin des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), Annette Lehnigk-Emden, verschaffte sich in Trier persönlich einen Eindruck von den Leistungen der Teams. »Technologien zu erforschen ist eine Sache, Technologien zur Anwendungsreife zu bringen die andere«, so die BAAINBw-Präsidentin. Organisatoren und Teams gab sie mit auf den Weg: »Zeigen Sie uns, was aktuell machbar ist. Zeigen Sie uns aber auch, wo aktuell die Grenzen des Machbaren liegen.«
Maik Kammermann, der stellvertretend für den Schirmherrn der ELROB 2024 Ministerialdirigent Alexander Schott, Direktor für Forschung und Innovation im BMVg, ebenfalls auf den Trierer Grünberg gekommen war, pflichtete ihr bei: »Die Technologie der unbemannten Systeme ist für uns von strategischer Bedeutung.« Zwar liege der Fokus bei der Beschaffung unbemannter Landsysteme aktuell auf ihrer Marktverfügbarkeit, allerdings dürfe man dabei auch die Zukunft nicht aus den Augen verlieren: Die Projekte aus der Forschung seien die Produkte von morgen und übermorgen.
Improvisierte Werkstatt zwischen Wasserpaletten und Feldküche
Österreich, Schweiz, Finnland, Türkei, Polen, USA, sogar Kanada: Universitäten, kleine Unternehmen, aber auch die Industrie hatten ihre Teams nach Trier entsandt, die das Gelände der WTD 41 für fünf Tage in eine internationale Zeltstadt verwandelten. Zwischen improvisierter Werkstatt, Wasserpaletten und Feldküche bereiteten sich die Mannschaften auf ihre Starts vor, schraubten und justierten an ihren Systemen bis zur letzten Minute. Häufig mit Erfolg. Aber nicht immer.
Das zwölfköpfige Team Capra ÉTS etwa war eigens für die ELROB aus Kanada angereist. In drei Disziplinen wollten die Studenten ihren neu entwickelten »Rove« ursprünglich testen. Aufgrund technischer Probleme funktionierte der Start schließlich nur in einem Szenario – und währte dort auch nur kurz. »Stolz sind wir aber trotzdem«, sagte Teammitglied Amber Louie. »Unser Ziel war es, den Roboter zum Laufen zu bringen – und das hat geklappt.«
Hochmotivierte Teams und familiäre Atmosphäre
Stetig steigende Teilnehmerzahlen, hochmotivierte Teams, eine familiäre Atmosphäre – auch das ist laut Schneider ein Kennzeichen der ELROB. »Zudem hat die Zusammenarbeit mit den Organisatoren vor Ort sehr gut funktioniert und Spaß gemacht.« Ein eher durchwachsenes Fazit hingegen zieht Schneider mit Blick auf die gezeigten Leistungen, die eine hochkarätig besetzte Jury um den amerikanischen Robotik-Experten Prof. Dr. Henrik I. Christensen bewertete. Im Szenario »Maulesel« etwa musste nach einer Anlernphase ein Fahrzeug automatisiert zwischen mehreren Punkten und so schnell wie möglich hin und her pendeln. »Die Herausforderungen waren hier deutlich höher als in den vergangenen Jahren«, so Schneider. »Bei den Systemen waren die Fortschritte überschaubar, nichtsdestotrotz zeigten einige Teams vielversprechende Ansätze.«
Im Szenario »Konvoi«, bestehend aus einem bemannten Führungsfahrzeug und einem oder mehreren automatisierten, unbemannten Folgefahrzeugen, galt es in diesem Jahr extrem hohe Anforderungen zu bewältigen, wie der ELROB-Leiter zugesteht. Hier habe ein Team gezeigt, dass die komplexen Herausforderungen zu meistern seien. Eine »solide Performanz mittels Teleoperation« bestätigt Schneider den Teilnehmern sowohl für das Szenario »Aufklärung« als auch für »CasEvac«, also das Auffinden und Retten verletzter Personen. Schneider: »In den nächsten Jahren wird hier ein verstärktes Augenmerk auf intelligente Assistenzsysteme zu legen sein.«
ELROB 2026 in der Schweiz
Die Zusammenarbeit von Wissenschaft, Auftraggeber und Anwender – also dem Militär – macht für Hauptmann Göran Bölke die ELROB besonders. Der Einsatzoffizier im Stab »Test & Versuch« verschaffte sich zugleich als Jury-Mitglied ein Bild vom aktuellen Stand der gezeigten Systeme. »Die ELROB bietet mir die Gelegenheit, mich weiterzubilden und Kenntnisse darüber zu sammeln, welche Lösungen es derzeit gibt – und das anders als auf einer Messe praktisch im Einsatz«, so Bölke.
Patrick Weiß, Oliver Schulz und Patrik Bylin ziehen gleichfalls ein positives Fazit. 22 Minuten hat am Ende der Einsatz ihres Roboters im Tunnel gedauert, beide Dummies brachte er ohne größere Blessuren ins Freie. »Very nice run«, lobt die Jury. Doch zum Siegerpokal reicht es am Ende für die Süddeutschen nicht. Ihr Resümee? »Beim nächsten Mal sind wir wieder dabei.« Dann 2026, beim 13. European Land Robot Trial in der Schweiz.