Dr. Wulf-Dieter Wirth: Ein Patent zum 90. Geburtstag

Mit dem Namen Dr. Wulf-Dieter Wirth ist Außergewöhnliches verbunden: Wie kein anderer Wissenschaftler prägt er bis heute die Entwicklung der Radartechnologie. Seine Expertise genießt weltweit höchste Wertschätzung, sein Pioniergeist ist legendär. Im August feierte der Senior Scientist des Fraunhofer-Instituts für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE in Wachtberg seinen 90. Geburtstag. Damit lässt sich seiner Karriere ein weiteres außergewöhnliches Attribut hinzufügen: Dr. Wulf-Dieter Wirth ist der älteste Kollege unter rund 32.000 Mitarbeitenden der Fraunhofer-Gesellschaft.

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Gemeinsam mit Dr. Wulf-Dieter Wirth (2.v.r.) feierten dessen 90. Geburtstag (v.r.) FKIE-Institutsleiter Prof. Dr. Peter Martini, Dr. Mark Oispuu (SDF) sowie FKIE-Chief Scientist Prof. Dr. Wolfgang Koch.
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Dr. Wulf-Dieter Wirth (3.v.l.) mit seiner Arbeitsgruppe in Berlin im Jahr 1960.
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Versuchsaufbau: Dr. Wulf-Dieter Wirth und seine Kollegen arbeiteten Anfang der 1960er Jahre an einem Simulator für Radarsignale und ihre Verarbeitung.

Das Segeln gehörte einst zu seinen Leidenschaften. Die Musik ist es bis heute – genauso wie die Radartechnik, in der Wirth in seiner seit mehr als sechs Jahrzehnten andauernden Forscherkarriere Meilensteine setzte. »Es ist zutiefst beeindruckend, wie Sie ganze Generationen von Forscherinnen und Forschern inspiriert haben und noch immer inspirieren«, sagte FKIE-Institutsleiter Professor Peter Martini bei einem Festkolloquium anlässlich Wulf-Dieter Wirths 90. Geburtstages. »Sie unterstützen junge Wissenschaftler dabei, wirkliches Neuland nicht nur zu betreten, sondern auch erfolgreich zu gestalten: Dies machte Sie zum Pionier der Array-basierten Battlefield Acoustics.«

Wirths Forscherkarriere begann nach seinem Studienabschluss an der TU Berlin 1959 zunächst in der Abteilung Hochfrequenztechnik am Heinrich-Hertz-Institut. »Mein damaliger Professor Friedrich-Wilhelm Gundlach hatte mir angeboten, bei einem Forschungsauftrag zum Thema ‚Radar – Signal – Digitalisierung‘ mitzuwirken«, erinnert sich der Ingenieur. Für ihn und seine Kollegen seien es damals völlig neue Themengebiete gewesen, in die sie sich erst mittels Fachliteratur einarbeiten mussten. »Und die war zumeist auf Englisch verfasst, das wir kurzerhand gleich mitlernten«, so Wirth.

In den 1960er Jahren Umzug von Berlin nach Werthhoven

Mitte der 1960er Jahre nahm der Wissenschaftler in Werthhoven seine Tätigkeit am neu gegründeten Forschungsinstitut für Funk und Mathematik (FFM), dem Vorgänger des Fraunhofer FKIE, als Leiter der Abteilung Elektronik auf. »Der Wechsel von Berlin nach Werthhoven war natürlich zunächst eine ziemliche Umstellung«, erinnert sich Wirth. »Aber aufgrund des Vier-Mächte-Status in Berlin war Radarforschung dort damals nicht möglich, zudem war die Nähe zum Bundesministerium der Verteidigung in Bonn für uns günstig.«

Mit der Konzeptionierung und Entwicklung eines elektronisch gesteuerten Radars (ELRA) mit Computer-Einsatz für die Flugsicherung und Luftverteidigung schuf Wirth in den folgenden Jahren einen Meilenstein in der Radartechnik. »Ich hatte einen Artikel über den Sequentialtest zur Radaranwendung gelesen«, erinnert sich der 90-Jährige. »Darüber kam ich auf die Idee, über den Aufbau eines elektronisch gesteuerten Radars als Experimentalsystem nachzudenken. Aus der Literatur war das riesige amerikanische System ANFPS85 zur Weltraumbeobachtung bekannt geworden. Ein kleineres System zur irdischen Flugraum-Beobachtung wäre doch ein reizvolles Projekt, dachte ich.« Reizvoll und überaus erfolgreich, wie sich herausstellen sollte.  

Das ELRA-System entwickelte Wirth mit seinen Mitarbeitern stetig weiter, arbeitete unter anderem zum Volumen-Array zur Erweiterung des Sichtbereiches, dem OLPI-Radar oder zu den Betriebsmodi und Betriebsparametern für Array-Radare. Bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1999. »Als mich der damalige Institutsleiter fragte, ob ich nicht weiterarbeiten wolle, habe ich einfach Ja gesagt. Und weitergemacht«, so Wirth. Auch das ist mittlerweile 25 Jahre her.

Forschung auf dem Gebiet der Battle Field Acoustics

Seine Jahrzehnte umfassende wissenschaftliche Arbeit fasste Wirth in dem 2001 veröffentlichten, 2013 in zweiter Auflage erschienenem Werk »Radar Techniques Using Array Antennas« zusammen, das in der Wissenschaftswelt höchste Wertschätzung genießt und in keiner Fachbibliothek fehlt. Heute forscht er mit Macarena Varela und Dr. Marc Oispuu in der FKIE-Forschungsabteilung »Sensordaten- und Informationsfusion« (SDF) vor allem auf dem Gebiet der Battle Field Acoustics. Und zwar so innovativ, dass die drei Wissenschaftler erfolgreich ein Patent anmeldeten – unterzeichnet im Übrigen just an Wirths 90. Geburtstag.

Seinen Arbeitsvertrag über einen Tag pro Woche hat er kurz darauf um weitere zwei Jahre verlängert. Dass er damit der älteste Kollege unter den rund 32.000 Mitarbeitern der Fraunhofer-Gesellschaft ist – und zwar »mit Abstand«, wie die Fraunhofer-Zentrale in München versicherte –, entlockt ihm ein Schmunzeln. Ans Aufhören jedenfalls denkt er nicht: »Ich schaue zurück mit einer großen Dankbarkeit«, sagt er. »Ich hatte Vorgesetzte, die mich gefördert haben und tüchtige und engagierte Mitarbeiter. Und ich durfte Zeit meines Lebens an interessanten Aufgabenstellungen forschen. Mir macht die Arbeit einfach Spaß.«