Wissenschaftlich begleitete Bundeswehr-Testreihe erprobt Transportroboter für die Infanterie
Die Bundeswehr plant, ihre Infanterie mit unbemannten Bodenfahrzeugen für den Transport von Material und Waffen auszustatten und hat dazu im Rahmen von zwei Truppenübungen unterschiedliche marktverfügbare Systeme in wechselnden Einsatzszenarios erprobt. Das Fraunhofer FKIE hat die Tests technisch-wissenschaftlich begleitet. Die Ergebnisse zeigen das große Potenzial der Unmanned Ground Vehicles (UGV) und ihren bereits erreichten Reifegrad. Das gemeinsame Fazit von Soldaten und Experten: Die Systeme könnten in die Beschaffung gehen.
Ein einzelner Dreimann-Trupp eines schweren Infanteriezugs muss neben der persönlichen Ausrüstung und Bewaffnung noch rund 100 kg an zusätzlichem Waffensystemgewicht zum Einsatzort transportieren. Reichweite, Einsatz- und Durchhaltefähigkeit der Soldaten sind demzufolge stark eingeschränkt. Die Bundeswehr überprüft daher in einer aktuellen Testreihe Reifegrad und Unterstützungspotenzial vier unterschiedlicher marktverfügbarer UGV-Modelle, sogenannter Cargo Mules. Im Auftrag des Amts für Heeresentwicklung (Abteilung II 2) in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (Abteilung U6.2) und der Wehrtechnischen Dienststelle 81 fand dazu bereits im Herbst 2019 eine erste, zusammenfassend positiv bewertete Erprobung an der Infanterieschule in Hammelburg statt. Drei ferngesteuerte Systeme wurden dabei in Einsatzszenarios im urbanen Umfeld betrachtet: der Mission Master (Rheinmetall), der Ziesel (Hentschel/Diehl Defence) und der Probot V2 (Friedrich Hippe/Elbit Systems).
Hands-on-Erprobung durch spätere Anwender
»Dass die UGV durch die Soldaten selbst und damit die späteren Nutzer und nicht durch einen geschulten Operator der Herstellerfirma gesteuert wurden, macht die Tests so wertvoll für den Erhalt brauchbarer Informationen«, stellt Dr. Frank E. Schneider, stellvertretender Leiter der beauftragten FKIE-Abteilung »Kognitive Mobile Systeme«, heraus. Eine zweite Erprobung durch die 6. Kompanie des Wachbataillons auf dem brandenburgischen Truppenübungsplatz Lehnin folgte daher Ende November 2020. Beteiligt hier: erneut das UGV Ziesel sowie erstmals das System THeMIS des estländischen Unternehmens Milrem Robotics. Auf dem Testprogramm stand das ferngesteuerte bis selbstständige Folgen in beladenem Zustand und zwar diesmal – im Gegensatz zum ersten Test in Hammelburg – in bewaldetem Gelände.
Intuitive Bedienung und deutliches Unterstützungspotenzial
Die Soldaten zeigten sich mit der Fernsteuerung der Systeme schnell vertraut und von der Unterstützungsleistung der UGV insgesamt begeistert. Neben der Fernbedienungsoption verfügen beide Systeme zusätzlich über eine automatische Folgefunktion, die ebenfalls Gegenstand der Betrachtung war. Sie dient vor allem dazu, dass sich der Bediener im Einsatz vorrangig auf seine Eigensicherung statt auf die Steuerung des Transportroboters konzentrieren kann. Ganz unterschiedlich ist dabei in beiden Systemen die technische Umsetzung des automatischen Follow-me-Modus: Der Ziesel bedient sich hierfür eines Kamerasystems an der Front, Milrem für den THeMIS hingegen eines Transmitters, der vom Soldaten getragen und vom Fahrzeug erkannt wird. Systembedingt wiesen die Modelle weitere, gegeneinander abzuwägende Vor- und Nachteile auf: So hat der Ziesel eine geringere Zuladungskapazität als der THeMIS, die aber insgesamt für ausreichend befunden wurde, und keinen Dieselgenerator. Dafür zeichnet er sich aber durch eine bessere Wendig- und Handhabbarkeit aus.
»Die Systeme sind soweit, dass man sie beschaffen kann«, fasst Robotik-Experte und Projektleiter Schneider die bisherigen Ergebnisse der Testreihe zusammen. »Meiner Einschätzung nach erfüllen alle Anbieter die für eine Beschaffung vorgegebenen Grundanforderungen. Und Fakt ist: Die stark reduzierte Gewichtsbelastung der Soldaten sorgt dafür, dass diese deutlich leistungsfähiger am Einsatzort ankommen.« Die Bundeswehr projektiert daher einen Bedarf von etwas mehr als 200 UGV. Eine entsprechende, im Jahr 2019 eingereichte Initiative liegt gegenwärtig beim Planungsamt. Könnte eine entsprechende Funktionale Forderung ab 2022 erstellt werden, wäre eine Einführung der ersten Systeme ab 2027 möglich.